Und dann sind sie doch berührt vom tiefblauen Himmel, den filigran gezeichneten Engeln, den ausdrucksstarken Gesichtern. Abt Bruno lädt ins Kloster Marienberg von Mai bis Oktober jeden Wochentag um 17.30 Uhr zur Vesper in die Krypta ein. Für Urlaubsgäste die einzige Möglichkeit, die besterhaltensten Fresken Europas aus der Nähe zu betrachten. Die Wandmalereien aus dem 12. Jahrhundert haben eine Leuchtkraft, die fast unwirklich erscheint. Sakrale Bildnisse und Symbole einer Engelswelt dominieren den Raum. Mittelpunkt ist die Christusgestalt. Erst 1980 wurde durch den Rückbau einer eingebauten Grabkammer der westliche Teil der Krypta freigelegt. Zum Vorschein kamen die strahlenden Wandmalereien in originaler Farbe wie man sie kaum noch findet.
Schloss Tirol: Portale aus Marmor
Ebenso bedeutsam wie die Krypta Fresken stufen Kunsthistoriker die Portale von Südtirols Landesmuseum Schloss Tirol ein. Die Portal-Umrahmungen mit den üppigen Figuren gelten als Höhepunkt der romanischen Bauplastik im Alpenraum. Direktor Siegfried de Rachewiltz wird nicht müde, sich mit den Portalen des Schlosses zu befassen. Der Enkel des amerikanischen Schriftstellers Ezra Pound durfte erst kürzlich wieder die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie zum Schloss auswerten. Bis heute geben das Palasportal am Eingang des Schlosses und das Portal zur Kapelle der Forschung Rätsel auf. Die in Marmor geschlagenen religiösen Motive, Fabelwesen und Ornamente faszinieren die Wissenschaft: Weder die Herkunft des Marmors ist bisher geklärt, noch die inhaltliche Bedeutung der Werkstücke. Ebenso rätselhaft ist, dass mehrere Künstler – gar aus verschiedenen Epochen – an den Portalen gearbeitet haben.
Die mittelalterlichen Kunstschätze Südtirols zählen zum Besten, was der deutschsprachige Raum zu bieten hat. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Südtirol war nie Kriegsschauplatz, das Vinschgau über Jahrhunderte hinweg das Armenhaus Tirols. Die Kunstschätze blieben erhalten, weil keine Bomben die Meisterwerke zerstörten. Und, weil die Vinschger über Jahrhunderte hinweg schlichtweg zu arm waren, um vor allem ihre freskierten Kirchen dem jeweiligen Zeitgeist anzupassen.
Auf der Alpinen Straße der Romantik
Die Benediktinerabtei Marienberg verfügt seit 2007 über neue Schauräume, die vom Südtiroler Architekten Werner Tscholl entworfen worden sind. Im Kontrast zur alten Bausubstanz wird im sanierten Wirtschaftsgebäude des Klosters den Besuchern Wissenswertes über die Mönche, die Geschichte des Klosters sowie die Umgebung vermittelt.
Nur wenige Kilometer von Marienberg entfernt, befindet sich in der Kirche St. Prokulus in Naturns ein vorkarolingisches Schmuckstück: die ältesten noch erhaltenen Fresken des deutschsprachigen Raums. Die Wandmalereien werden auf das 8. Jahrhundert datiert. Im Bereich romanischer Baukunst gehört neben Schloss Tirol die Stiftskirche Innichen (Pustertal) zu den Aushängeschildern Südtirols.
Die bedeutendsten mittelalterlichen Kulturdenkmäler Südtirols können entlang der „Alpinen Straße der Romantik“ von Graubünden über Südtirol bis ins Trentino erlebt werden. (www.stiegenzumhimmel.it)