Suedtirol Joseph Zoderer – Speerspitze der Literaturszene Südtirols

Fern der Heimat sah Zoderer als kleiner Junge in der heftig bombardierten Stadt Menschen sterben, die von Bomben zerfetzt waren. „Warum bin ich so normal? Bin ich ein Monster, dass ich die Dramatik meiner Kindheit scheinbar so unbeschädigt überstanden habe?“, fragt sich der 73-Jährige heute. So schwer Joseph Zoderer als Mensch trug, so ernsthaft schreibt er auch als Autor. Zoderers rastloser Lebenswandel mit Stationen in Österreich, der Schweiz, USA, Kanada, Mexiko und Südtirol diente ihm als Inspirationsquelle. Bereits als Kind wusste er, dass er Schriftsteller werden wollte. Die vielen Eindrücke formten seinen literarischen Willen. In Wien studierte er Jura, Philosophie, Theaterwissenschaften und Psychologie. Einen Abschluss machte er in keinem Fach. Vielmehr saugte er während der vielen Vorlesungen Wissen auf, das ihm für das Schreiben dienen sollte. Als Journalist begann er seine Karriere 1957 in Österreich beim „Kurier“, der „Kronenzeitung“ und „Die Presse“. Veröffentlicht hat er, wo immer er die Gelegenheit bekam. Kritiker loben Zoderers Sprache als feinfühlig, präzise und detailgenau. Seine Bücher werden in den renommiertesten Tageszeitungen und Fachtiteln besprochen. Auf die Bestenliste schaffte er es von Beginn an.

Für seine Heimat Südtirol ist Zoderer so wichtig, weil er seinen literarischen Nachfolgern den Weg ebnete. Lange Zeit tat sich nicht viel in der Südtiroler Szene, erst seit den 80er Jahren drängen junge Autoren zu Publikationen. Im Herbst 2007 hat es zehn ernst zu nehmende Neuerscheinungen in Südtirol gegeben, die überregional Beachtung fanden. Für eine Region mit nur knapp 490.000 Einwohnern bemerkenswert. Das Zusammenprallen der deutschen und italienischen Kultur, diese explosive Mischung, wird heute als Bereicherung gesehen. Auch wenn es Künstler und Schriftsteller naturgemäß noch immer aus den oft als beengend empfundenen Strukturen hinauszieht, erleben viele ihrer Kollegen – als Rückkehrer oder Dagebliebene – die Konfrontation zwischen deutscher und italienischer Kultur mehr und mehr als Nährboden ihrer Kreativität. Zoderer war seiner Zeit voraus. Er hat es als Erster verstanden, die ethnischen Konflikte und die Grenzsituation in Südtirol positiv zu sehen und in seinen Romanen zu verarbeiten.

Joseph Zoderer über

Diversität als Inspirationsquelle: „Ich bin nicht für die Globalisierung in dem Sinne, dass wir uns alle in einem großen Kuddel-Muddel verlieren. Ich bin für den Reichtum eines bunten Teppichs. Wenn alles grau wäre, wäre alles gleich. Dann wären wir nur noch austauschbare Nummern ohne eigenes Gesicht. Identität, Individualität und überhaupt das Anderssein sind Wasser und Brot für die Kreativität.“

Leiden als Antrieb: „Die Nahrungsaufnahme von Schmerz und Enttäuschungen ist die Basis eines jeden Schriftstellers. Entweder man wird dadurch zerstört oder kann Großes schaffen. Jemand der schreibt, muss die dünnste Membran haben, die es nur gibt.“

Orte der Kreativität: „Um authentisch schreiben zu können, muss ich die Stimmungen meiner Protagonisten selbst erleben. Ich suche für jedes Werk ein neues Land, eine neue Stadt auf, wo ich unbekannt bin, wie ich unbekannter nicht sein kann. So kann ich jedes Mal aufs Neue von Null anfangen. Das Neue reizt mich zu neuen Sichtweisen. Für mein Schreiben unerlässlich.“

Informationen

Südtirols bekanntester Schriftsteller ist Joseph Zoderer. Seine im Carl Hanser Verlag publizierten Bücher werden in den renommiertesten Feuilletons besprochen. Sein größter Erfolg war der im Jahr 1982 erschienene Roman „Die Walsche“. Die Südtiroler Landesregierung hat sich bereits seinen Vorlass für 250.000 Euro eingekauft, um die Nutzung seines Schriftgutes auch in Zukunft zu sichern.

Südtirols Literaturszene bewegt sich: Zu den neben Joseph Zoderer bekanntesten Autoren zählen Sabine Gruber (C.H. Beck Verlag), Herbert Rosendorfer (Langen Müller Verlag), Sepp Mall (Haymon Verlag), Josef Oberhollenzer (Folio Verlag), Oswald Egger (Suhrkamp), Selma Mahlknecht (Edition Raetia), Konrad Rabensteiner (Edition Raetia), Kurt Lanthaler (Diogenes Verlag), Helene Flöss (Haymon Verlag).

Südtirols kontrastreiche Lage zwischen alpin und mediterran inspiriert bereits seit Jahrhunderten Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe, Franz Kafka, Arthur Schnitzler, Karl May oder Heinrich Heine. Ihre Wege in Südtirol beschreibt der Wanderführer „Spurensuche in Südtirol“, erschienen im Folio-Verlag.