Watten in Südtirol – Bei uns wird nicht geschwindelt

Die 12 Kartenspieler aus Tramin sind den „Bund der Wattehe“ eingegangen. „Bis dass derTod uns scheidet“, sagt Gründungsmitglied Kurt Dibiasi. In der 29-jährigenGeschichte des informellen Clubs hat es bisher nur drei Mitglieder-Wechsel gegeben. Die Suche nach dem jeweils neuen 12. Mann dauerte nicht lange. Die Kriterien für die Neuaufnahme? Keine objektiven. „Wenn’s passt, dann merkt man’s glei“, meint Werner Oberhofer. Er ist der Spielführer der„Alten Mendlwatter“. Sei es die Damenrunde beim Kaffeeklatsch, zwei Bergsteiger am Gipfelkreuz oder Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder in seiner Freizeit: Das Watten, das ist in Südtirol Volkssport. Jeder der rund 490.000 Einwohner zwischen Brenner und Salurn ist damit schon einmal in Berührung gekommen. Kein Wunder, das Kartenspiel wurde dort erfunden. Der Überlieferung nach kommt der Name vom italienischem „battere“ (schlagen, stechen) bzw. vom französischem „va-tout“ (letzter Trumpf). Während der napoleonischen Kriege Ende des 18. Jahrhunderts sollen Franzosen und Bayern sich in Südtirol beim Watten die Zeit vertrieben haben.

Stich und Sieg

Gewattet wird in Südtirol mit dem „Salzburger Blatt“ zu zweit, viert oder zu sechst. Jeder Spieler bekommt fünf Karten. Pro Spiel sind drei Stiche notwendig, um zu gewinnen. Dafür gibt es zwei bzw. drei Punkte. Bei 18 Punkten ist die Partie zu Ende. Bei einer Runde am Abend bleibt es bei den „Alten Mendlwattern“ aber meist nie. Sind „Schlag“ und „Trumpf“ erst einmal im Umlauf, geht es heiß her. Dann wirbeln die Karten durch die Luft, die Stimmen werden lauter und die Fäuste knallen auf den Tisch: „Stich und Sieg“, jubelt Werner Oberhofer. „Jetzt kennen mir a glei Kurse für Anfänger anbieten, weil unsere lieben Gegner gar nichts mehr zombringen.“

Mir sein Ehrliche

In Tramin sind sie stolz darauf, als einzige in Südtirol gegen den Uhrzeigersinn zu spielen. „So wie der Bauer sät“, erklärt Oberhofer. Und überhaupt sei ihr Spiel mit dem herkömmlichen Watten kaum zu vergleichen, meint er und schaut einem dabei treuherzig in die Augen: „Mir sein Ehrliche. Bei uns wird am wenigsten geschwindelt.“ In Tramin spielen sie das Blindwatten. Schlag und Trumpf werden nur zwischen zwei Spielern angezeigt. Wer sich schon fast zum Profi zählt, spielt das „Kritisch-Watten“: „Herz-König“, „Schellen-Sieben“ und „Eichel-Sieben“ sind die hochrangigsten Karten, die alles stechen. Mit einem Augenzwinkern rechts oder links deuten die Teams untereinander an, welche der drei Karten sie in der Hinterhand haben. „Bei denen weiß man ja schon bevor die Karte ausgespielt ist, was kommt“, meint Werner Oberhofer. „Unser Spiel ist viel sensibler und feinfühliger.“

In Südtirol ist es das Watten

Egal, ob man sich zu den „Alten Mendlwattern“ nach Tramin oder ins Nachbartal zu den Sarnern nach dem Kirchgang in den Gasthof Höllriegl gesellt: Schnell wird klar, dass es weniger um Satz und Sieg geht als vielmehr um den Zeitvertreib. In Frankreich spielt man Boule im Park, in Süditalien vertreiben sich die alten Herren mit Domino ihre Zeit und in Südtirol ist es das Watten. Wer die Südtiroler kennen lernen will, der spielt am besten mit ihnen eine Runde Karten. Aber Vorsicht: Suchtgefahr!

Die Regeln und das Spiel

Unerfahrenen Kartenspielern erscheinen die Regeln des Wattens zu Beginn sehr kompliziert, da es keine einheitlichen Regeln, aber viele verschiedene Spielvarianten gibt. Zum erfolgreichen Watten braucht es daher Übung und Erfahrung. Und letztendlich geht es auch um die Wahl des richtigen Partners, um bei diesem Spiel als Sieger hervorzugehen.

Jedes Jahr im Frühjahr findet in Tramin ein Wattturnier statt, an dem allerdings nur Frauen zugelassen sind. Es gibt in Südtirol kein landesweites Männer-Wattturnier, weil die Spielregeln in den einzelnen Regionen zu unterschiedlich sind, als dass man sich auf einen Modus einigen könnte.

Vom Südtiroler Künstler Egon Moroder Rusina stammen die beiden Prominenten-Watt-Kartenspiele, die 1997 und 2002 für große Aufregung sorgten. Noch heute spielen die 30.000 glücklichen Besitzer mit den Karten, auf denen Südtiroler Persönlichkeiten wie Landeshauptmann Luis Durnwalder oder die Journalistin Lilli Gruber abgebildet sind.