Kitzbühel Mythos Winter

Eigentlich war es ein Buch, das ausschlaggebend war für die einmalige Entwicklung Kitzbühels zur internationalen Sportmetropole: „Auf Schneeschuhen durch Grönland“ des norwegischen Polarforschers Fridjof Nansen und die darin bekundete Begeisterung für den damals noch weitestgehend unbekannten Skisport, sorgte seinerzeit für weltweites Aufsehen – auch in Kitzbühel. Franz Reisch war von den Ausführungen Nansens so fasziniert, dass er sich jene „norwegischen Schneeschuhe“, wie Skier damals genannt wurden, besorgte und alsbald seine ersten Gehversuche auf „Brettln“ machte – ganz zur Belustigung der Kitzbüheler. „Schaut´s, iaz is der Reisch ganz narrisch wor´n“ ist nur einer der überlieferten Ausrufe, die der Ski-Pionier während seiner immer weitläufigeren Skitouren durch die Region über sich ergehen lassen musste. Am 15. März 1893 bestieg Reisch erstmals auf Skiern das Kitzbüheler Horn, seine Erlebnisse wurden im November desselben Jahres in der Erstausgabe der Zeitschrift „Der Schneeschuh“ als erster alpiner Skireport veröffentlicht. Die ersten Fotographien aus der Pionierzeit des Skisports in Kitzbühel stammten übrigens von Reischs Freund Josef Herold.

Entwicklung zum alpinen Wintersportort in Kitzbühel

Zusammen mit Gleichgesinnten veranstalteten Reisch und Herold zwei Jahre später ein erstes kleines Skirennen in Kitzbühel – die Geburtsstunde des alpinen Skirennsports – bei der übrigens Herold als Sieger hervorging. Es wird vermutet, dass die kleine Fangemeinde während der folgenden Jahre immer mehr Anhänger fand und regelmäßig Skirennen veranstaltete. So berichtete der „Kitzbüheler Bezirks-Bote“ im Jahre 1900 von den ersten Kitzbüheler Ski-Meisterschaften, die von da an jedes Jahr am 6. Januar stattfinden sollten. 1901 gab es bereits eine Ausschreibung zum „Schneeschuhlauf“ in Kitzbühel mit Start auf dem Sinnwellkopf. Gleichzeitig mit dem Aufschwung des Skisports in der Region kam auch die Entwicklung des Wintertourismus auf Touren: Bereits 1888 eröffnete mit Schloss Lebenberg die erste, auch im Winter geöffnete Hotel-Pension in Kitzbühel. Die ersten Gäste waren damals vor allem englische Wintersporturlauber, ab 1895 kamen auch vermehrt Skiurlauber aus anderen Ländern und Regionen nach Kitzbühel – das Angebot an Pensionen und vermieteten Appartements wuchs stetig.

Traditionell meisterlich in Kitzbühel

Die erste Eintragung einer organisierten Skivereinigung in Kitzbühel datiert auf das Jahr 1902: Am 15. Dezember wird die freie Wintersportvereinigung im Hotel Schwarzer Adler – heute Hotel Tyrol – gegründet, drei Jahre später, 1905, in den Wintersportverein (WSV) umgewandelt. Im selben Jahr finden die 1. Tiroler Skimeisterschaften statt, ein Jahr später der erste Abfahrtslauf auf dem Kitzbüheler Horn. Ganze 25 Jahre sollte es dauern, bis zur ersten offiziellen Austragung des legendären Hahnenkamm-Rennens am 28. und 29. März 1931. Sieger wurde damals der Österreicher Ferdl Friedensbacher mit einer Zeit von 4:34,2 Minuten. Am 20. Juli 1931 schließen sich der Wintersportverein, die Skiriege und der Kitzbüheler Sporting Club zum Kitzbüheler Ski Club (KSC) zusammen. Durch die sportlichen Erfolge seiner heute rund 4700 Mitglieder – nicht weniger als 49 Olympia- und Weltmeisterschaftsmedaillen gehen auf das Konto – sowie die organisatorischen Leistungen, genießt der KSC international hohes Ansehen und gilt als einer der renommiertesten und erfolgreichsten Skiclubs überhaupt. Ernst Hinterseer – der Vater von Weltcupsieger und Schlagersänger Hansi Hinterseer, Hias Leitner, Anderl Molterer und Toni Sailer – der schwarze Blitz aus Kitz – sind nur einige der Skilegenden, die der KSC über die Jahre hervorbrachte und nach wie vor zu seinen Mitgliedern zählt.

Der Mythos lebt in Kitzbühel

Das legendäre Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel gilt als das bedeutendste und am besten organisierte Rennen des internationalen Skizirkus. Jahr für Jahr zieht es Millionen von Zuschauern vor die Bildschirme, Zehntausende reisen in die Gamsstadt, um live dabei zu sein, wenn die Stars der internationalen Skiszene um wertvolle Hundertstel Sekunden kämpfen. Dabei hat sich seit der ersten Austragung 1931 einiges getan und verändert: Während der Entstehungsjahre gab es noch keine festgelegte Rennstrecke, vielmehr wechselten die Austragungsorte im Kitzbüheler Skigebiet mehrfach. Erst in den 50-er Jahren etablierten sich Streif und Ganslern als fixer Bestandteil des Hahnenkamm-Rennens. Während der nächsten zwei Jahrzehnte wurden die Abschnitte Startschuss, Mausefalle, Steilhang Einfahrt sowie Alte Schneise zur renntauglichen Befahrung ausgebaut. 1966 wird ein weiteres Stück Skirennsportgeschichte geschrieben, als auf der Seidlalm die Idee des Weltcups geboren wird. Ein Jahr später findet der erste Hahnenkamm-Weltcup in Kitzbühel statt. In den 70-er Jahren erfolgt die Fertigstellung des Hausbergs, in den 80-er Jahren wird erstmals damit begonnen, ausgiebig an der Streckensicherheit der Streif zu arbeiten. Nachdem das Hahnenkamm-Rennen 1993, nach 1964 und 1988, zum dritten Mal wegen Schneemangels abgesagt werden muss, kommt es zum Bau von Beschneiungsanlagen entlang der Streif und Ganslern durch die Bergbahn AG Kitzbühel. Während der 90-er Jahre wird vor allem der Ausbau der Streckensicherheit weiter vorangetrieben, erstmals wird der Super-G als dritter Wettbewerb in das Hahnenkamm-Rennen integriert. Heute präsentiert sich das Hahnenkamm-Rennen als regelrechtes Medienspektakel und Maßstab für den internationalen Skirennsport. Der Sieg bei der Königsdisziplin, der Abfahrt auf der Streif, ist dabei für viele Rennläufer der absolute Höhepunkt ihrer Karriere und jedes Jahr aufs Neue absolutes Highlight der internationalen Skirennsaison.