St. Anton am Arlberg – Zwischen uriger Skitradition und modernstem Service

St. Anton am Arlberg gilt als die Wiege des alpinen Skilaufs und schreibt bis heute Wintersportgeschichte.Begonnen hat die Skigeschichte von St. Anton am Arlberg ausgerechnet mit dem Arbeitseinsatz eines norwegischen Ingenieurs zwischen 1880 und 1884. Er war für den Bau des Arlbergtunnels nach Tirol gekommen, den Einheimischen ist allerdings etwas anderes in Erinnerung geblieben: Die beiden Bretter, mit denen er durch den Schnee zur Arbeit glitt. Doch die St. Antoner waren skeptisch und auch der Pfarrer von Lech konnte sie nicht überzeugen, als dieser zehn Jahre später perfekte Bögen im Schnee zog. Das kleine Dorf war weit davon entfernt, zu einem der beliebtesten Wintersportorte Mitteleuropas zu werden, noch war es der harte Alltag als Bergbauer, der das Leben der Menschen hier prägte.

Aus der Zurückhaltung wird Euphorie

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wich die anfängliche Skepsis purer Begeisterung. Man wollte es nicht mehr den Fremden überlassen, im Telemark-Stil die Hänge hinunter zu gleiten, plötzlich sprang der Funke auch auf die St. Antoner über. Und so verwundert es auch nicht, dass es ein fröhlicher Ausflug war, der für Skigeschichte sorgte: Am 3. Januar 1901 machten sich sechs Freunde aus dem Dorf auf den Weg nach St. Christoph. Mit schweren Skiern an den Füßen bewältigen sie die Strecke bis zum Hotel Hospiz, wo eigentlich nur eine kleine Pause geplant war. Die Gastfreundschaft des Wirtes Oswald Trojer und seiner Tochter Liesl ließ aus der kurzen Rast jedoch eine ausgelassene Feier werden. Der Glühwein sorgte nicht nur für rote Backen, sondern auch für fantasiereiche Gespräche, an deren Ende eine Idee stand: die Gründung des Skiclub Arlberg. Noch heute kann man im Gästebuch des Hospiz den Eintrag des Gründungsmitglieds und Gemeinderats Adolf Rybizka nachlesen: „Durch die Natur entzückt, durch den Sport begeistert, durchdrungen von der Notwendigkeit, am Arlberg einen bescheidenen Sammelplatz für die Freunde dieses edlen Vergnügens zu schaffen, fühlen sich die am ex tempore beteiligten Ausflügler bewogen, den Skiclub Arlberg zu gründen. St. Christoph, 3. Jänner 1901″. Der Eintrag wurde von den Gründungsmitgliedern Carl und Adolf Schuler, Dr. Adolf Rybizka, Oswald Trojer, Josef Schneider, Ferdinand Beil, Dr. F. Gerstel und Liesl Trojer unterschrieben.

Aus einer kleinen Gruppe wird ein großer Club

Die spontane Idee der acht Gründungsmitglieder fiel auf fruchtbaren Boden, heute hat der Skiclub Arlberg weltweit über 7.000 Mitglieder. Nicht nur sie schätzen St. Anton am Arlberg wegen seines perfekt ausgebauten Skigebietes und seiner Gemütlichkeit, die sich das einstige Bergbauerndorf bewahren konnte. Mit ihrem Tiroler Charme erfreuen und überraschen die Einheimischen bis heute so manch einen Gast, der zum ersten Mal am Arlberg Urlaub macht. Überraschend war auch der nächste Schritt, der auf die Gründung des Skiclubs folgte: Nur drei Jahre später, am 5. und 6. Januar 1904, lud man zum 1. Allgemeinen Skirennen. So etwas hatte es bis dahin in der Alpenwelt noch nicht gegeben. Die Strecke für diesen Fernlauf war genau ausgearbeitet und führte von der Ulmer Hütte über den Schindlerferner zum Arlensattel, dann auf den Galzig, von dort hinunter nach St. Christoph und schließlich weiter nach St. Anton. Heute ist es kaum mehr vorstellbar, welche Höchstleistung den Teilnehmern damals abverlangt wurde. Mit schwerstem Sportgerät ackerten sich die Wettkämpfer durch den tiefen Schnee – an Seilbahnen, Lifte und präparierte Pisten dachte zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch niemand.

Ein Skiläufer wird zum Idol

Mit steigender Beliebtheit stellten sich immer mehr Wintersportler die Frage nach der besten Technik. Der bis dahin übliche Telemark-Stil war in den Augen vieler nicht gerade ideal, um die Abfahrten wirklich sturzfrei zu überstehen. Im hochalpinen Gelände rund um St. Anton am Arlberg sorgte der Ausfallschritt für wenig Standfestigkeit und katapultierte so manch einen Skiläufer ins Aus. Ausgerechnet ein 13-Jähriger war es, der eine ganz eigene und neue Abfahrtstechnik für sich entdeckte und diese Jahr für Jahr weiter entwickelte. Der Wirbelwind mit den blitzenden Augen hieß Hannes Schneider und für ihn gab es im Leben nur eines: Skifahren, sonst nichts. Selbst viele blaue Flecken hielten ihn nicht davon ab, an einer anderen Körperhaltung und veränderten Schwüngen zu feilen. Als Erster verlagerte er zum Kurvenfahren sein Gewicht, um dann die Ski herumzureißen. Für Schussfahrten ging er in die Hocke, um die Geschwindigkeit und unebenes Gelände sicher ausgleichen zu können. So schnell seine Abfahrten, so schnell war auch die Karriere von Hannes Schneider. Für den Wirt des Hotels „Alte Post“ unterrichtete er die Hausgäste und brachte so selbst Flachländer dazu, elegant die Pisten hinunter zu wedeln.

Die erste Skischule entsteht in St. Anton am Arlberg

Hannes Schneider zog immer mehr Gäste an, die seine Technik erlernen wollten. Damit wurde der Fremdenverkehr kräftig angekurbelt, denn jetzt war es „in“, den Winter in den Bergen und vor allem auf den Pisten zu verbringen. Im Winter 1921/22 wurde so aus dem Skilehrer Hannes der Unternehmer Schneider, Gründer der ersten Skischule in St. Anton am Arlberg. Er hatte eine für damalige Verhältnisse bahnbrechende Idee, indem er die Skischüler entsprechend ihres individuellen Könnens in Gruppen einteilte. Es gab feste Richtlinien für die Kursinhalte in diesen Gruppen und vor allem ausgebildete Skilehrer – eine Revolution.

Und aus dem Skihelden, Skilehrer und Frauenschwarm Hannes Schneider wurde zu guter Letzt auch noch ein Schauspieler. Für Regisseur Arnold Fanck von der Freiburger Berg- und Sportfilmgesellschaft stand er vor der Kamera. Traumhafte Panoramen und schneebedeckte Gipfel bildeten den Rahmen für zahlreiche Filme mit Hannes Schneider in der Hauptrolle. Kinobesucher auf der ganzen Welt konnten so Schneiders Arlberg-Methode auf der Leinwand erleben und nicht wenige wollten danach selbst die Pisten erobern. Wer es sich leisten konnte, der reiste sogar zum Originalschauplatz der Filme „Wunder des Schneeschuhs“ oder „Die weiße Kunst“. Und so waren die „Golden Twenties“ nicht nur für den Skischulgründer Hannes Schneider eine wahrhaft goldene Zeit, sondern auch für die immer mehr werdenden Hoteliers in St. Anton am Arlberg, die die Gäste beherbergten.

Die ersten Bahnen machen Skilaufen komfortabel

1937 hatte St. Anton am Arlberg wieder die Nase vorn. Mit der Galzigbahn enstand eine der ersten Gondeln im Alpenraum. 210 Personen konnten damit pro Stunde in das Herz des Skigebietes auffahren. Nach diversen Um- und Neubauten entstand zur Saison 2006/2007 eine innovative Bahn-Sensation: Die neue Galzigbahn beruht auf der Technik eines Riesenrads und ermöglicht den Passagieren ein ebenerdiges Einsteigen. Doch nicht nur die Technik ist überraschend, auch das Gebäude sorgt für Gesprächsstoff. Die einmalige Glaskonstruktion wirkt im Schnee wie ein riesiger Kristall und wird nachts von innen beleuchtet. Keine drei Jahre später ist St. Anton am Arlberg erneut um eine neue, hochmoderne Liftanlage reicher. Die alte Rendl-Bahn aus dem Jahre 1974 wird in der Wintersaison 2009/2010 durch eine 8er-Einseilumlaufbahn mit Sitzheizung ersetzt. Mussten die Wintersportler früher noch den Bus nehmen, um vom Skigebiet am Galzig zur alten Rendl-Bahn zu gelangen, ist der Weg heute nur noch ein Katzensprung in Skischuhen – das transparente Gebäude der Talstation rückt näher an das Dorfzentrum heran.

Zwei Bretter, zwei Helden!

Neben Hannes Schneider ist ein zweiter Name aus der St. Antoner Geschichte nicht mehr wegzudenken: Karl Schranz, der seit über zehn Jahren von allen als „Vater der WM“ bezeichnet wird. Der gebürtige St. Antoner hat als Spitzen-Skiläufer fast alle sportlichen Auszeichnungen gewonnen, war dreimal Weltmeister und holte zweimal den Gesamt-Weltcup. Bis heute gilt Karl Schranz als Kämpfer, für den Aufgeben ein Fremdwort ist. Gegen den Widerstand vieler und mit Unterstützung weniger träumte er den Traum von einer alpinen Ski-WM in seinem Heimatdorf. Ein Traum, der am 28. Januar 2001 in Erfüllung ging, als sich die Ski-Weltelite in dem Tiroler Bergdorf traf, um hier die Besten der Besten zu finden.