Suedtirol Törggelen – Wacholderzweige an der Tür

In den Herbstmonaten zwischen September und November, wenn sich die Blätter langsam in Südtirol färben, die Kastanienschalen aufbrechen und die glänzenden, braunen Früchte herausblitzen, bricht eine ganz eigene Jahreszeit in Südtirols Süden an: die Törggele – Zeit.

Der ungewöhnliche Begriff in Südtirol kommt aus dem Lateinischen „torquere“, was pressen bedeutet. Die Südtiroler nennen ihre Weinpresse Torggl und leiteten daraus den Begriff für einen Brauch ab, der so alt ist, wie der Weinbau in Südtirol selbst. Sobald die Trauben abgeerntet sind und der Rebsaft in großen Fässern ruht, hingen die Bauern früher Wacholdersträuße an ihre Türen. Das war das unmissverständliche Zeichen dafür, dass der Hof zum Buschenschank wurde – dem klassischen Platz zum Törggelen – und Gäste zur Weinverkostung lud. Das Aushängen des „Buschen“ ist heute leider so gut wie verschwunden, geblieben ist allerdings der Name Buschenschank.

Frisch auf den Tisch in Südtirol

Törggelen, das ist bodenständiger Genuss. Der „Nuie“, also der junge, ungereifte Wein steht hier im Mittelpunkt. Sehr beliebt ist aber auch der mostähnliche „Súse“ oder „Suser“. Ein Wein, den man trotz seiner köstlichen Süße nicht unterschätzen sollte. Ansonsten werden in den Stuben in Südtirol gerne die berühmten Schlutzkrapfen (mit Spinat gefüllte Nudeltaschen), Surfleisch, Rippelen, Keschtn (Kastanien) und mit selbstgemachter Marmelade gefüllte Krapfen serviert. Alles kommt frisch auf den Tisch, denn beim Törggelen steht Hausgemachtes auf der Speisekarte. Einer der urigsten und bekanntesten Buschenschänke ist der Rielinger Hof auf dem Rittner Hochplateau. Auf 750 Metern Höhe mit Blick auf die majestätischen Dolomiten, sitzt man hier an schönen Tagen bei selbst gemachtem Wein, Speck und anderen Köstlichkeiten im idyllischen, kleinen Garten. Ein wahrer Geheimtipp unter Südtirolern – vor allem wegen der exzellenten Küche – ist der Patscheiderhof in Signat am Ritten mit seiner wundervollen, historischen Stube. Ebenfalls in Signat liegt ein weiteres Juwel in Sachen Törggelen: Bei Mali Baumann werden die Gäste wie bei Großmutter verwöhnt. Die herzliche Wirtin verbreitet mit ihrer blauen Schürze unglaublichen Charme und Gemütlichkeit. Zwischen Kastanienbäumen kann man hier den hauseigenen „Nuien“ genießen.

In Südtirol unzertrennlich, Wandern und Törggelen

Zum Törggelen gehört traditionsgemäß auch das Wandern. Einzelne Wanderer oder gesellige Törggele – Gruppen ziehen auf wunderschönen Routen von einem Buschenschank zum nächsten und probieren die köstlichen, jungen Tropfen. Besonders empfehlenswert ist der Keschtnweg, der am Vahrner See beginnt und über das Rittner Hochplateau bis hinunter in den Talkessel von Bozen zum märchenhaften Schloss Runkelstein verläuft. Begleitet von Kastanienhainen führt der über 60 Kilometer Weg vorbei an 55 Buschenschanken – reichlich Gelegenheit zum Törggelen also.