Andrea Leitner – Die Behüterin

Sie macht nur drei große Schritte über den Sellastock, die Puezgruppe und die Geislerspitzen, und schon ist sie im Villnösstal. So einfach ist das für Andrea Leitner. Zumindest auf dem begehbaren Luftbild, über das sie gerade geht und nun genau auf ihrem Arbeitsplatz steht: dem neuen Besucherzentrum des Naturparks Puez-Geisler in St. Magdalena im Villnösstal. Das Naturparkhaus steht seit Dezember letzten Jahres mitten in der Idylle von St. Magdalena in Südtirol, und auch wenn nicht alle Dorfbewohner den modernen Betonkubus mit den dunklen Scheiben ins Herz geschlossen haben, so ist das Haus doch schnell zu einem festen Bestandteil der Dorfkultur geworden. „Immer wieder kommen die Kinder vom Dorf mit irgendwelchen Fundstücken zu mir und fragen, was das ist“, erzählt Andrea Leitner. Die schnelle Integration liegt auch an ihr. Sie ist „eine von hier“, ist im Hof neben dem Naturparkhaus aufgewachsen, in St. Magdalena zur Schule gegangen und hatte schon immer eine Verbundenheit mit den Menschen, der Natur und den Bergen vor der Haustüre. Das hat sie als Jugendliche einmal in ein wahres Dilemma gestürzt: „Ich war damals in einen Jungen verliebt, und als der auf einem Ausflug eine Cola-Dose in die Landschaft geworfen hat, konnte ich das gar nicht fassen. Doch obwohl ich so verliebt war, habe ich ihn dafür geschimpft.“

 

Seit Anfang dieses Jahres führt Andrea Leitner, die 2008 ihr Biologiestudium an der Universität Innsbruck abgeschlossen hat, Besucher durch das Naturparkhaus, zeigt ihnen Computer-Info-Points, die die Geschichte des Parks erklären, das begehbare Luftbild, über dem dreisprachige (deutsch, italienisch, ladinisch) digitale Textzeilen zum Beispiel darüber informieren, dass „4 Adlerpaare im Naturpark ansässig“ sind. „Die Dolomiten werden ja auch als Geschichtsbuch der Erde bezeichnet – hier kann man das gut erklären“, sagt Andrea Leitner im interaktiven Ausstellungsbereich „Berge anfassen“. Sie steht vor Felsbrocken, die mit „Bellerophon und Bozner Quarzporphyr“ überschrieben sind. Im ersten Stock dreht sich dagegen alles um die Tiere des Parks: Steinadlerfedern und Vogelnester, Eier und Felle, Geweihe und Knochen sind dort ausgestellt, und Andrea Leitner präsentiert all die Lärchenholz-Schubfächer und -Schaukästen mit einer Mischung aus Stolz und Begeisterung. „Ich will hier die Aufmerksamkeit der Besucher schärfen“, erklärt sie. „Man braucht nur eine gewisse Sensibilität für die Natur, dann sieht man auf einer Wanderung im Naturpark viel mehr. Wenn ich zum Beispiel wandern gehe, dann sehe ich fast jedes Mal einen Adler.“ Leider fügt sie dann noch hinzu: „Wie genau das funktioniert, weiß ich aber auch nicht.“ Schließlich sind wir an den vier großen Panoramaglasscheiben angekommen. Man sieht auf die Schule und die spielenden Kinder nebenan, den Villnösser Bach, die Bauernhöfe im Dorf, die Wiesen, den dunklen Bergwald, die hellen Schneefelder und schließlich, imposante 1.700 Höhenmeter über uns, die Spitzen der Geisler, Wahrzeichen des Parks. Andrea Leitner steht neben der Sichtbetonwand unter der Aufschrift „Sehnsucht“ und schaut gemeinsam mit ihren Besuchern hinaus in die Berge. Es wird Zeit, sie zu erkunden.

Sieben Naturparke

Die sieben Naturparke in Südtirol sind großflächige, für Südtirol und die Alpen repräsentative Natur- und Kulturlandschaften, die unter besonderem Schutz stehen. Der Wert der Naturparke liegt in ihrem Beitrag zur Erhaltung von Natur und Landschaft, zu Forschung und Bildung und als unmittelbares Naturerlebnis. In den Dolomiten liegen die Naturparke Schlern-Rosengarten, Sextner Dolomiten, Puez-Geisler und Fanes-Sennes-Prags.

Der Naturpark Puez-Geisler umfasst eine Fläche von rund 10.196 ha und erhielt seinen Namen von den markanten Gipfeln der Puez- und der Geislergruppe. Das bestimmende Gestein ist der Dolomit. Bekannte Wanderwege im Naturpark sind der Adolf-Munkel-Weg und der Rollstuhlfahrer-freundliche Naturerlebnisweg Zans, ein Schauweg mit erklärenden Tafeln. Außerdem werden dem Besucher bei geführten „naturkundlichen Wanderungen“ die geologischen, biologischen und kulturellen Schätze des Naturparks vermittelt.

Das Naturparkhaus in St. Magdalena ist die zentrale Informationsstelle für den Naturpark Puez-Geisler. Das kubusförmige, zweigeschossige Gebäude aus papyrusfarbenem Beton wurde von den Architekten Stefan Burger und Birgit Rudacs aus München entworfen.