Südtirol Schnitzkunst – Wo Greise und Engel Holzköpfe sind

Vierzig Jahre später steht Perathoner an der Spitze der Grödner Künstlervereinigung „UNIKA“. 60 Bildhauer, die moderne Kunst anbieten. Alles bescheidene, eher zurückhaltende Männer, denen man perfekte sakrale Arbeiten zutraut, aber keineswegs so kreative Kunstwerke wie sie in ihrem Atelier in St. Ulrich zur Schau gestellt werden. Die Statuen, Bilder und Objekte entzücken den Betrachter fast mehr, als das gewaltige Dolomitenpanorama, das man durch die Glasfront des Ausstellungsraums erblickt. Pinke, blau-gesprenkelte, aus gepressten Holzspänen gefertigte Statuen oder Wandbilder sind dort zu bewundern, daneben stehen klassische, gotische, barocke, abstrakte und naturalistische Skulpturen. Und sakrale Arbeiten, die immer noch eine wichtige Einnahmequelle für die Schnitzer sind.

Begonnen hat die Grödner Passion für Holz bereits vor 400 Jahren. Während der langen, kalten Winterzeiten in ihre Häuser verbannt, wurde die Holzschnitzerei zum willkommenen Zeitvertreib und bald auch zur wichtigen Verdienstmöglichkeit. Mit Holzspielzeug und Dekorationsgegenständen fing alles an. Im 17. Jahrhundert entstand das professionelle Kunsthandwerk: Kruzifixe, Heiligenbildnisse, Altäre und Krippen wurden gefertigt. Christian und Bartholomäus Trebinger aus St. Ulrich gelten als Pioniere der Grödner Holzschnitzkunst. Neben dem bayerischen Oberammergau ist Gröden heute „the place to be“ für jeden Schnitzer.

Wer kauft die hölzerne Kunst? Privatleute, Gemeinden, Unternehmen – die Liste der Auftraggeber ist lang. Weltweit ist „UNIKA” auf Messen unterwegs. Nächstes Jahr geht es nach Colorado in die USA. Im reichen Dubai schnuppern die Scheichs den frischen Zirbenholzduft ebenfalls gern. Der größte Marketing-Coup gelang „UNIKA” mit der Ausstellung „Fußballfans“, welche 2005 anlässlich der „UNIKA”-Skulpturenmesse gezeigt wurde. Vom amputierten Greis im Rollstuhl bis hin zum barbusigen weiblichen Fan: ein Teil der 68 hölzernen überlebensgroßen Fußballfans waren vor und während der WM 2006 in München und Stuttgart zu bestaunen – fast umjubelter als so manche groß angekündigte Fußballpartie.

Roland Perathoner über seine Arbeit: „Meine Werke symbolisieren ein gestorbenes Stück Natur, das man wieder zum Leben erweckt hat. Der Konkurrenzkampf untereinander ist bei uns positiv. Wir arbeiten alle zu individuell, als dass der eine dem anderen einen Kunden direkt abwerben könnte. Doch man schaut schon ganz genau, was der Kollege wieder Neues fabriziert.Das Kunsthandwerk muss man im Blut und in den Händen haben.“

Informationen:

Die seit 1994 bestehende Künstlervereinigung „UNIKA” ist ein Zusammenschluss von 60 Bildhauern, Fassmalern, Vergoldern und Verzierungsbildhauern, die die 400 Jahre alte Schnitzkunsttradition Grödens fortführen. Gemeinsame Marketingaktionen, Messeauftritte und Nachwuchswerbung sind das erklärte Ziel. Die Vereinigung sucht weltweit ihresgleichen.

„UNIKA” steht für Einzelstück. Die Skulpturen der Bildhauer von Gröden sind individuell von Hand angefertigt. Eine Schutzmarke der Handelskammer Bozen weist die „UNIKA”-Originale aus.

Jedes Jahr findet Anfang September in St. Ulrich in Gröden die „UNIKA”-Skulpturenmesse statt. Drei Tage lang wird die Holzschnittkunst erlebbar gemacht. Rund dreißig Kunstbildhauer erklären ihr Handwerk und geben Einblick in die verschiedenen Arbeitsschritte.