Südtirol Speck – Eine Sache des Gefühls

Barbara und Georg Brunner aus Südtirol leben mit vier von fünf erwachsenen Kindern sowie Enkelkindern auf dem Johannserhof bei Villanders im Norden von Südtirol. Die Bergbauern sind Selbstversorger. Von Getreide und Gemüse über Milch bis hin zum Speck produzieren sie alles selbst; für den Eigenbedarf und für ein paar Gäste, die während einer Tour auf dem Fernwanderweg „Keschtnweg“ bei ihnen einkehren. Neben Landwirten wie den Brunners gibt es in Südtirol 28 lizenzierte Speckproduzenten, die im Jahr rund 2,3 Millionen Hammen (eine Hamme entspricht 4,5 Kilogramm) Südtiroler Markenspeck produzieren. Der Markenspeck aus Südtirol ist ein leicht geräucherter Rohschinken, der sich vom Geschmack her zwischen Parma- und Schwarzwälder Schinken bewegt, mit einer leichten Rauchnote und nussigem sowie nach rohen Steinpilzen duftendem Aroma. Besonders ist, dass der Südtiroler Speck sowohl geräuchert als auch gepökelt wird. Das Räuchern kommt aus dem Norden, wo Fleisch bereits im Mittelalter über dem Feuer haltbar gemacht wurde. Im Süden dagegen wurde das Fleisch mit Salz eingerieben und luftgetrocknet, um es haltbar zu machen.

Qualitätssiegel

Die Herstellung erfordert Geduld: Mindestens 22 Wochen muss der Speck reifen, wenn er sich „Südtiroler Speck“ nennen will. 1996 wurde dem Südtiroler Speck das „g.g.A.-Siegel“ (geschützte geografische Angabe) der Europäischen Union verliehen. Ein Qualitätssiegel, das vor Missbrauch schützt. Tragen darf es nur der Speck, der die strengen Richtlinien befolgt: traditionelle Würzmischung, die Reifezeit und die Lagerung bei maximal 20 Grad sowie ein Salzgehalt im Endprodukt unter fünf Prozent. Die lizenzierten Speckhersteller der Region in Südtirol werden durchschnittlich zweimal pro Woche von Kontrolleuren aufgesucht. Geruch, Geschmack, Salzgehalt, Reifezeit und das Verhältnis von Mager- und Fettanteil des Specks werden geprüft.

Unser liebstes Essen

Ob ihr Speck gut geworden ist oder nicht, das beurteilen die Brunners selbst. Rauch, kühle Luft, die Qualität des Fleisches: Worauf kommt es bei der Speck Herstellung ganz besonders an? „Sicher muss man vor allem auf die Qualität der Zutaten achten, aber die Würzmischung, die macht den entscheidenden Unterschied aus“, sagt Barbara Brunner. Die 64-Jährige würzt das Fleisch nur mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und Piment. Und wie viel davon? „Ja, das hat man im Gefühl. Das merkt man dann schon“, meint die Bäuerin mit einem Lachen. Außerdem verrät kein Speckhersteller in Südtirol gerne sein Rezept, das oft schon seit mehreren Generationen überliefert ist. Circa drei Wochen lässt Brunner das Fleisch in der Beize liegen, bis es anschließend in der urigen, vom Rauch der vielen Jahre ganz rußigen Küche bei 15 bis 20 Grad von Ende Januar bis Mitte April geräuchert wird. Der fertige Speck lagert später im kühlen Keller, bis die Familie ihn verspeist hat. Ihren Speck essen die Brunners jeden Tag: „Das ist uns immer noch das liebste Essen.“

Rund um den Speck in Südtirol

Jedes Jahr im Herbst feiert Südtirol das Speckfest. Im Villnösser Tal, dem Geburtstal von Reinhold Messner, wird die Südtiroler Spezialität auf einer überdimensionalen Tafel mit einer Länge von einem halben Kilometer serviert. Höhepunkt des Festes ist die Kür der neuen Speckkönigin. Außerdem gibt es Musik, einen Bauernmarkt und in Schauöfen frisch gebackenes Brot. Immer im Oktober findet das Speckfest in Villnöss statt.

Die EU-Ursprungsbezeichnung „geschützte geografische Angabe (g.g.A.)“ bietet Sicherheit bezüglich Herkunft und Qualität von Lebensmitteln: Händler können die Produkte vom Bauern bis hin zum Verkaufsregal zurückverfolgen, während der Kunde Sicherheit durch die Produktinformation und das Siegel erhält. Gleichzeitig werden Verbraucher und Hersteller vor Missbrauch von Marken geschützt.

Bei der Trockenpökelung lagern die Hammen nach meist händischer Einsalzung und Behandlung mit einer geheimen Gewürzmischung drei Wochen lang in kühlen Räumen unter regelmäßigem Wenden. Die Gewürzmischung ergibt zusammen mit dem unterschiedlichen Mikroklima der jeweiligen Produktionsstätte und den dort vorhandenen Schimmel sowie Hefen ein jeweils herstellerspezifisches Aroma: das einzige Merkmal, das sich von Hersteller zu Hersteller bei jedem Südtiroler Speck g.g.A. unterscheidet. Die Konservierungstechniken der Spritzpökelung mit Lake und des Polterns (das mechanische Walken) könnten kostengünstiger sein und die Produktion beschleunigen, entsprechen aber nicht der Tradition und sind daher in Südtirol nicht erlaubt.